Für meinen heutigen Artikel plane ich eine kleine Zeitreise zurück in meine Anfänge als Selbstständiger. Ich möchte die damalige Phase aus heutiger Perspektive betrachten und insbesondere die Fehler analysieren, die ich in meinem jugendlichen Leichtsinn gemacht habe. Dabei soll es auch darum gehen, welche Entscheidungen ich heute anders treffen würde. Los geht’s!

1. Zu Beginn: Keine abgeschlossene Ausbildung
Als ich mich selbstständig machte, war ich 22 Jahre alt – sehr jung, und damit waren entsprechende Fehlentscheidungen quasi vorprogrammiert. Man könnte auch sagen, ich habe manche Dummheit mit Ansage begangen. Haha!
2011 hing meine berufliche Situation etwas in der Luft. Die Berufsschule hatte ich abgeschlossen, aber in einem Bereich, in dem ich definitiv nicht arbeiten wollte. Es war schon damals klar, dass mir das keine Freude bereiten würde. Die Ausbildung als „Technischer Assistent für Automatisierungs- und Computertechnik“ brachte mich also nicht weiter. Ebenfalls hatte ich mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Altenpflege sowie meinen Zivildienst an einer Förderschule für körperlich und geistig Behinderte hinter mir. Die Arbeit in sozialen Einrichtungen hatte mir extrem viel Spaß gemacht und in dieser Zeit konnte ich viel lernen. Diesen Weg zu verfolgen, verwarf ich jedoch aus finanziellen Gründen. Die Verantwortung in diesen Berufen ist enorm, und die Arbeitsbelastung ist hoch. Was Pflegekräfte leisten und am Ende verdienen, ist oft eine Frechheit. Also ließ ich es gleich bleiben.
2010 begann ich dann eine neue Ausbildung als geprüfter Grafikdesigner an der ILS Hamburg. Damals gestaltete ich schon gerne, wollte die Welt verändern und mich in den Medien austoben. 2013 schloss ich die Ausbildung mit einer 1,5 ab. Aber Moment mal! 2013 die Ausbildung abgeschlossen und 2011 selbstständig gemacht? Genau! Während der Ausbildung hatte ich einen Teilzeitjob in einer Werbeagentur und wollte mehr erreichen. Also zögerte ich nicht lange und gründete mein Unternehmen. Der Grundstein für Fehler Nummer 2 war damit gelegt, aber dazu später mehr.
Für mich schien es eine gute Idee zu sein, Grafikdesign zu lernen und gleichzeitig direkt am Kunden anzuwenden. Da ich heute an Morbus Crohn leide, bin ich umso froher, dass meine behandelnden Ärzte diese Idee zum Glück nicht hatten. Für mich war „Learning by Doing“ eine gute Idee – also durch Ausprobieren dazulernen. Aus heutiger Sicht war das eine wirklich dämliche und für meine Kunden absolut unprofessionelle Herangehensweise. Ich hatte einfach nur Glück, dass ich mich extrem günstig verkaufte und meine damaligen Kunden sich auch mit weniger zufriedengaben. Ein Fotoshooting für 20 €? Hochzeitsbilder für 70 €? Heute undenkbar. Auch heute ist es kein Grund, eine Dienstleistung günstiger anzubieten, wenn ein Auftrag eine gesonderte Recherche erfordert, sondern der Mehraufwand wird entsprechend in Rechnung gestellt.
Rückblickend war ich also zu unerfahren, habe dadurch Geld verloren und ein unprofessionelles Umfeld geschaffen. Lesson learned! Aber wenigstens hatte ich vor 14 Jahren verdammt viel Spaß UND ich bin um die Erfahrung reicher, was ich heute nicht mehr tun würde.

2. Der Firmenname
Wie bereits erwähnt, zog mein erster großer Fehler automatisch meinen zweiten nach sich: der damalige Firmenname RockZ-Photography.de.
Ich hatte mir einen Fantasienamen ausgedacht und gleichzeitig die dazugehörige Webdomain als Firmennamen eintragen lassen. Autsch! Natürlich kamen dann Briefe mit „RockZ – Photography“ und Co. an. Auch die Kunden wussten nicht, was es mit dem großen Z auf sich hat und wie man es ausspricht („Rocks“). Der Ursprung lag in meinem Spitznamen „Dave-RockZ“. So nannte ich mich als Pseudonym im Internet, und das hatte seinen Ursprung vor langer Zeit, weil ich damals sehr gerne auf Rock- und Metal-Konzerte ging. Jetzt werden sich beim Lesen sicher einige denken: „Aha!“ Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Wie sollten die Kunden das verstehen (Spoiler: gar nicht!), und warum zur Hölle konnte ich das für eine gute Idee halten?

Was ich daraus gelernt habe? Je mehr Know-how ich mir aneignete, desto eher kam ich irgendwann selbst darauf. Und dann war es zu spät. 2017 beendete ich meine Selbstständigkeit, weil ich nach Wien zog. Aus heutiger Sicht wäre „Wilke-Medien“ damals schon die weitaus bessere Wahl gewesen. Und wie viel Geld mir deswegen zusätzlich verloren gegangen ist, darüber möchte ich gar nicht nachdenken.
3. Angebot zu groß
Diesen Teil möchte ich nicht zu lange beleuchten. Ganz am Anfang, im Jahr 2011, hatte ich überwiegend fotografiert und günstige Shootings angeboten. Mit dem Abschluss meiner Ausbildung verlagerte sich der Schwerpunkt in Richtung Grafikdesign für Firmen. Ich verkaufte es als Vorteil, dass ich nicht nur Flyer erstellen, sondern auch gleich die passenden Fotos liefern konnte. Soweit, so gut.

Da ich mich bis heute für alles Technische interessiere und vieles ausprobiere, erweiterte sich mein Angebot ständig. Neue Software? Schwupps, bot ich „Focus Stacking“ an. Die Ausbildung zum Webdesigner folgte: Nun erstellte ich auch Webseiten! Eine Blitzanlage wurde angeschafft? Juhu, jetzt konnte ich Studiofotos anbieten. Die Blitzanlage war mobil? Na klar, fotografierte ich jetzt auch Hochzeiten! Eine Vollformatkamera mit Videofunktion? Klaro, konnte ich neben Fotos auch Videos anbieten. Kurzum: Viel zu viel, und ich war bereit für Dummheit Nummer 4!
4. Ein Netzwerk bilden wollen
In meiner Endphase von RockZ hatte ich ein breites Produktportfolio, wobei ich einige Leistungen qualitativ nicht auf hohem Niveau selbst erbringen konnte. Daher ging ich mehrere Partnerschaften ein, sowohl lokal als auch bis nach Berlin und Dresden. Meine eigene Website auszulagern war an sich eine sehr gute Entscheidung, und dafür hatte ich einen Partner in Berlin. Im Bereich der Webseiten konnte ich mich so voll und ganz auf meine Kunden konzentrieren. Auch in anderen Bereichen sollten Auslagerungen bzw. Partnerschaften meine Dienstleistungen erweitern.
Ein Bereich lief auf YouTube besonders gut: Konzertmitschnitte. Meine D800 lieferte sehr gute FullHD-Videos, und später ergänzte ich sie um ein externes Mikrofon. Die Live-Aufnahmen waren für damalige Verhältnisse also schon sehr hochwertig. Da die Handykameras zu dieser Zeit noch nicht so weit waren, landete ich nicht selten auf der Gästeliste – ein Win-win für alle. Die Aufnahmen waren sogar so gut, dass später eine Black-Metal-Band meine Konzertmitschnitte schamlos geklaut und als eigene Live-CD verkauft hatte. Eine weitere Partnerschaft aus Berlin spielte meine Videos in sein eigenes Netzwerk ein. Die Klickzahlen stiegen und stiegen, und ich war begeistert.
Leider führte dies auch zu einem wirklich dummen Fehler. Ich stellte eine meiner Partnerschaften einer anderen vor. So weit, so gut – was sollte schon schiefgehen? Viel mehr, als ich je für möglich gehalten hätte. Freundlich ausgedrückt, verhielt sich die eine Seite der anderen gegenüber extrem unprofessionell, was sich letztendlich auf mich auswirkte. Eines Morgens fiel ich aus allen Wolken, als ich feststellte, dass ich aus dem Netzwerk, das meine Videos gepusht hatte, geflogen war. Nur weil sich jemand anderes wie der letzte Trottel aufgeführt hatte. Zugegeben, es an mir auszulassen, war alles andere als fair, aber ich hatte die Person ja auch mit dem Netzwerk bekannt gemacht. Eine Entschuldigung gab es natürlich nie. Meine Stellungnahme bewirkte nichts mehr. Die Zusage, wieder ins Netzwerk aufgenommen zu werden, wurde einfach nicht eingehalten. Zum Schluss drehte ich noch zwei Musikvideos für eine Band, danach stellte ich den Videobereich bei RockZ ein, weil ich die Lust verloren hatte. Verständlich, wenn die Klickzahlen wieder deutlich sanken.

Was ich heute daraus gelernt habe: Ich konzentriere mich nur noch auf das, was ICH wirklich gut kann. Kein ausuferndes Angebot an Dienstleistungen mehr. Partnerschaften sind, wenn überhaupt, Zulieferer. Aber eine Seite an eine andere weiterzuempfehlen, werde ich so schnell nicht wieder tun. Vor allem nicht, wenn sich die „Unternehmen“ als plumpe Hobbys entpuppen. Anderen ist der Imageschaden egal – wieso auch, wenn sie selbst nichts ausbaden müssen? Erneut: Lesson learned! Diesmal wenigstens kein direkter finanzieller Schaden, aber der Imageschaden schmerzte trotzdem.
5. Gewaltige Social-Media Dummheiten
Ein gewaltiger Ausrutscher zu Beginn meiner Selbstständigkeit ist einer der Hauptgründe, warum ich heute (bis auf Instagram für diese Seite) komplett auf Social Media verzichte. Auf Facebook verfasste ich einen Post, den ich aus purer, impulsiver Dummheit ins Internet setzte. Ich hatte eine Nachricht schnell heruntergeschrieben, und prompt flog mir eine regelrechte Explosion um die Ohren. Zum Glück kam hier die schnelle Einsicht. An den genauen Inhalt kann ich mich nicht mehr erinnern, das ist mit 2011/2012 einfach zu lange her.
Was genau war passiert? Ohne näher ins Detail zu gehen, hatte ich mich abwertend über eine bestimmte Gruppe von Menschen geäußert. Und zwei Reaktionen trafen mich hart. Mein damaliger Fotokollege schrieb: „Mit dir würde ich nicht zusammenarbeiten, wenn ich dich nicht kennen würde!“. Autsch! Treffer Nummer eins. Kurz vor meinem Posting hatte ich ein Hochzeitspaar fotografiert. Da meine Preise anfangs viel zu niedrig waren, hatte ich dementsprechend eine bestimmte Zielgruppe: Menschen mit geringem Einkommen! Dieses Paar bereute jeden Cent, den sie mir gezahlt hatten. Ich hatte mich so unfassbar dumm ausgedrückt, dass sie sich direkt angesprochen fühlten.

Wer sich jetzt fragt, warum ich derartiges Dummes geschrieben hatte: Es gab eine Komponente in der Nachricht, die niemand verstehen konnte. Ich hätte schreiben können, wie sehr es mich ärgerte, dass ich neben dem Studium noch zwei Jobs hatte, um irgendwie über die Runden zu kommen, während mein Vater jegliche Arbeit verhinderte und sein Leben genoss. Ja, genau! Das Klügste wäre gewesen, Facebook mit diesem Thema überhaupt nicht zu „betreten“, und ein Crashkurs in „Wie drücke ich mich nicht komplett bescheuert aus, damit mich andere Leute nachvollziehbar verstehen können“ wäre sinnvoll gewesen. Ich löschte den Post, versuchte verzweifelt, mich zu erklären, und lernte zum Glück daraus.
6. Politische Themen
Es gibt einige Dinge, da schüttle ich selbst heute noch ungläubig den Kopf. Aber der erste Schritt zur Besserung ist ja bekanntlich die Einsicht. Heute gibt es bestimmte Themen, zu denen ich mich öffentlich nicht mehr äußern würde. Angreifbar ist man in irgendeiner Gruppe ohnehin. Deswegen sind Politik und Religion für mich in der Arbeitswelt eine absolute rote Linie.
Zu meiner Videozeit auf YouTube gab es ein Interview mit einem „SPD-Politiker“, der sich für die queere Community einsetzte. Das war etwas, das ich gerne unterstützte und unterstützen wollte. Genau dieser Typ engagierte sich dann aber für eine (freundlich formuliert) rechtsextreme Partei, und damit wendete sich das Blatt für mich komplett. So schnell kann es gehen! Bis dahin hatten mich zwar einige Zuschriften erreicht, aber es war zu spät. Ich stand öffentlich neben einem Gesicht, neben dem ich nicht stehen will! Im Gegenteil: Ich verachte Menschen, die eigene Ideale völlig aufgeben, nur um auf andere Minderheiten einzudreschen. Zum Glück ist davon im Netz fast nichts mehr zu finden, bis auf wenige Snippets.
Daher sind politische Themen für mich heute ein Tabu – und als Atheist genauso religiöse Themen. Jedenfalls in der Arbeitswelt oder in der Selbstständigkeit. Privat bin ich an solchen Themen natürlich sehr interessiert und tausche mich gerne aus.
7. Eine Kalkulation aus der Hölle
Ein weiteres, gravierendes Problem war damals das leidige Thema „Kalkulation“. Was kann ich für meine Dienstleistungen verlangen? Was dürfen Druckprodukte kosten? Ich habe so viele Fehler gemacht, dass es mich heute selbst wundert, wie das über sechs Jahre funktionieren konnte, ohne dass mir alles um die Ohren flog.
Meine Eltern besaßen ein Haus, was die Situation für mich recht einfach machte. Keine Miete, keine Stromkosten usw. fielen an. Daher war es kein Problem, mich anfangs völlig unter Wert zu verkaufen: Personenfotoshooting für 20 Euro, Hochzeitsfotos für 70 bis 100 Euro. Wenn jemand kam, war es gut, wenn nicht, dann eben nicht. Auch hatte ich es als Kleinunternehmer viel zu leicht. Was das für die spätere Rente bedeutet … lassen wir das lieber.
Da ich zusätzlich einen Job in einer Werbeagentur hatte, konnte ich einiges dazulernen, was sehr hilfreich war. Immerhin konnte ich die Phase hinter mir lassen, in der ich die Preise komplett zu niedrig ansetzte. Dennoch gab es jahrelang, besonders bei Druckprodukten, ein großes Problem. Als Unternehmer ohne eigene Geräte muss man seine Druckprodukte natürlich zukaufen – entweder über regionale Partner oder, wie meistens, über Online-Druckereien. Und nicht nur ich habe diesen Fehler gemacht, sondern auch als Angestellter in einigen Bereichen haben die Unternehmen denselben Fehler begangen. Ja, ich rede in der Mehrzahl! Bei der Kalkulation wurde einfach der Preis der Druckerei herangezogen und mit 2,7 multipliziert. Ein Multiplikator von 2,7!!!!!
In meiner Selbstständigkeit hielt ich mich weniger daran, ein Argument war, dass sonst keine Satzkosten anfielen. Das bedeutet, bei der ersten Flyerbestellung bei mir waren die Kosten bereits inklusive. Nehmen wir heute 100 Stück Wickelfalz-Flyer als Beispiel: Ich kaufe sie für 53,02 Euro inklusive Steuer ein und verkaufe sie für 143,15 Euro. Bei der ersten Bestellung, wenn mehrere Stunden Satzkosten inbegriffen sind, kann man das vielleicht so machen oder argumentieren. Und natürlich freut man sich dann über Folgebestellungen, da man hier vermeintlich richtig gut verdient. Wer sich mit diesem Thema besser auskennt, wird sich ohnehin die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Denn mit dieser Kalkulation ist man nicht nur faul, sondern auch komplett unwirtschaftlich. Nur wenige Firmen werden bei einem kaufen. Für die Masse ist man viel zu schnell einfach zu teuer. Ich will gar nicht wissen, was mir alles entgangen ist.

Zum Glück habe ich zu diesem Thema sehr viel im Unternehmensgründungsprogramm der Stadt Wien gelernt. Es gab zahlreiche Kurse dazu, und auch durch meine aktuelle Anstellung lerne ich viel mehr darüber, wie man es richtig macht.
Auch wenn sich diese Auflistung katastrophal liest: Es gab auch verdammt viele gute Momente, und ich durfte bis heute aus dieser Erfahrung lernen. Wenn mich heute jemand fragt, was ich anders machen würde, wenn ich könnte: Nichts! Man macht Fehler, um daraus zu lernen. Bist du gerade auf dem Weg in die Selbstständigkeit oder hast selbst schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Hinterlasse gerne einen Kommentar!



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